Rede von Frank Wolf, Landesbezirksleiter ver.di Berlin-Brandenburg, während der Veranstaltung am 29. April 2021

[Es gilt das gesprochene Wort]

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

mit großer Freude verfolge ich die Veranstaltung und habe den interessanten Redebeiträgen zugehört. In diesen Tagen so eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen, ist nicht einfach, daher gilt unser ausdrücklicher Dank dem Vorbereitungsteam unter der Leitung von Thorsten Druschke, dem vor allem auch viele ehrenamtliche Kolleginnen und Kollegen angehörten. Sie haben sehr motiviert und fleißig gearbeitet und dass dies erfolgreich war, zeigt die hohe Beteiligung an dieser Videokonferenz.

Danken möchte ich unseren Gästen, den Politikerinnen und Politikern, die sich bereitgefunden haben, hier heute mit uns zu diskutieren und sich den oft ja auch unbequemen Fragen stellen. Der Grund, warum wir solche Veranstaltungen machen, liegt darin, dass wir ins Gespräch kommen und im Gespräch miteinander bleiben wollen. Wir wollen das Interesse für besonders wichtige Fragen wecken und unsere Mitglieder motivieren, sich einzumischen, mitzugestalten und: vor allem wählen zu gehen. Wir geben dabei keine Meinung vor, aber wir wollen Denkanstöße geben! Wir wollen ja schließlich erreichen, dass sich im Sinne derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die wir vertreten, etwas verändert und verbessert.

Aber – und das sage ich mit allem Nachdruck: ver.di betrachtet die gegenwärtige Krise mit großer Sorge. Seit fast einem Jahr sind verschiedene Branchen, die wir vertreten, teilweise oder komplett im Lockdown. Dazu gehören zum Beispiel die Veranstaltungsbranche, die Tourismus- und Freizeitbranchen, Teile des Verkehrssektors (z.B. Luftfahrt oder Fahrgastschifffahrt). Weite Teile des Einzelhandels sind ebenfalls seit längerer Zeit geschlossen. Wir befürchten, dass es in diesen und auch anderen Branchen zu Unternehmenspleiten und Personalabbau kommen wird. Wir beobachten, dass die staatlichen Unterstützungen an vielen Stellen nicht ausreichen und vermutlich die drohenden Pleitewellen nicht verhindern können.

Zunehmend schwieriger wird die Situation in den Kranken- und Pflegebereichen. Von dort mehren sich die Signale, dass aufgrund der anhaltenden hohen Arbeitsbelastung immer mehr Beschäftigte über einen Ausstieg aus der Branche und einen Berufswechsel nachdenken. Wenn dieser Trend anhält, wäre das für die Gesundheits- und Pflegeberufe eine Katastrophe, denn schon vor der Pandemie herrschte hier auch in Berlin akuter Fachkräftemangel. ver.di wünscht sich daher von den politisch Verantwortlichen ein stärkeres Engagement zugunsten der Beschäftigten, mehr Anerkennung, die sich in verbesserten Arbeits- und Einkommensbedingungen widerspiegeln muss. Die Misere der Ausgründungen – im Übrigen nicht nur an den öffentlichen Krankenhäusern – muss gestoppt werden. Im Auftrag des Landes darf es keine prekären Arbeitsverhältnisse geben! Es kann nicht sein, dass es an den öffentlichen Einrichtungen Beschäftigte gibt, die nach den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes bezahlt werden und daneben Beschäftigte im selben Betrieb tätig sind, für die diese Tarifverträge nicht gelten. Weil Geld gespart und mit Ausgründungen getrickst wird, werden diese Beschäftigten zu Arbeitnehmern zweiter Klasse. Man muss sich darüber im Klaren sein: Auch dies prägt das Image der Gesundheitsberufe und schreckt mögliche Interessenten ab. Es ist heute Abend schon mehrfach aus kompetentem Mund gesagt worden, dass wir wollen, dass die Ausgründungen rückgängig gemacht werden.

Wir wissen, dass es nach wie vor Kritiker gibt, die das anders sehen. Diese meinen, dass private Dienstleister zwar nicht besser, aber vor allem billiger sind. Wir haben in den vergangenen Jahren in Berlin sehr deutlich gesehen, wohin die Experimente und Ausgründungen, Bildung von Tochterfirmen und Privatisierungen geführt haben. Nicht nur an den Krankenhäusern, zum Beispiel bei der CFM, ließen sich die Folgen hervorragend studieren: die Zeche haben die Beschäftigten gezahlt, die in den Tochterfirmen erheblich weniger verdient haben als ihre Kolleginnen und Kollegen in den Mutterhäusern. Tarifbindung war ein Fremdwort, in vielen Fällen wurden sogar die Grundsätze der Mitbestimmung verletzt. In der jetzt zu Ende gehenden Wahlperiode hat es allerdings ein Umdenken gegeben. Erste Erfolge, so zum Beispiel bei der CFM, konnten erzielt werden. Aber das Ziel, gleiche Tarifverträge und gleiche Arbeitsbedingungen, ist noch lange nicht erreicht. Wir als ver.di kämpfen dagegen, dass der Staat prekäre Arbeit befördert oder selbst in Auftrag gibt!

Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, einen handlungsfähigen und modernen öffentlichen Dienst. Dies zeigt die Krise ganz deutlich. Die Menschen nicht nur in Berlin, sondern im ganzen Land brauchen den öffentlichen Dienst! Zum Glück hat es in der laufenden Legislatur eine Abkehr von der unseligen Sparpolitik vergangener Jahre gegeben. Erste Erfolge sind schon sichtbar, aber die Anstrengungen reichen natürlich bei Weitem nicht aus. Wir fürchten, dass nach der Wahl oder nach dem Ende der Krise das Spiel von vorne losgeht und erneute Sparorgien die kleinen Erfolge wieder zerstören. Wir warnen vor so einer Politik! Wir brauchen einen modernen, leistungsfähigen und bürgernahen öffentlichen Dienst. Dazu werden gut ausgebildete, engagierte Beschäftigte benötigt. In den vergangenen Jahren haben wir aber in Berlin erlebt, dass es in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes nicht besonders gut lief. Bekannte Beispiele sind die Regionalen Sozialen Dienste, die Bürgerämter, die Gerichte und Staatsanwaltschaften, die oftmals an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angelangt waren. Es gibt in Berlin zu wenig Polizisten und Feuerwehrleute, außerdem fehlen Fachkräfte nicht nur in den Ingenieurs- und Bauberufen oder im IT–Bereich.

Berlin braucht ausreichend und qualifiziertes Personal sowie Investitionen für die Öffentliche Daseinsvorsorge. Dafür tritt ver.di anlässlich der Berliner Wahlen ein und wird dafür mobilisieren.

Die Wohnsituation in Berlin ist aus unserer Sicht ein besonders drängendes Problem. Es gibt bekanntlich seit Jahren zu wenige Wohnungen, in der Folge steigen die Mieten und Immobilienpreise. Auch in der jetzt ablaufenden Wahlperiode konnten die Ziele beim Wohnungsbau nicht erreicht werden. Denn nur, wenn auch neu gebaut wird, kann sich der Wohnungsmarkt perspektivisch entspannen. Die Spekulation mit Wohnraum und das wirtschaftliche Ausbeuten des Marktes sind keinesfalls im Interesse unserer Mitglieder. Wenn sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem Einkommen keine Wohnung in der Stadt mehr leisten können, wenn Ärmere aus ihren Wohnungen vertrieben werden, weil sich mit Luxussanierung viel Geld verdienen lässt, dann läuft was schief.

In diesem Sinne wünsche ich unserer Veranstaltung einen weiteren guten Verlauf und viele interessante Meinungen und Beiträge.