Solidaritätsschreiben an die streikenden Kolleginnen und Kollegen der Uniklinik Düsseldorf

Protestkundgebung von ver.di Kolleginnen und Kollegen aus Düsseldorf, Essen und Berlin vor der Finanzsenatsverwaltung in Berlin, dem Amtssitz von Dr. Kollatz-Ahnen, der aktuell Vorsitzender der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) ist, nachdem die TdL laufende Tarifverhandlungen abgebrochen hat mit dem Ziel, von ver.di den Abbruch des Streiks an zwei Unikliniken in Hessen zu erzwingen.

Die folgende Solidaritätsadresse wurde auf dem Treffen des Gewerkschaftlichen Aktionsausschusses vom 1. August 2018 beschlossen:

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

mit vollem Respekt verfolgen wir euren Erzwingungsstreik für mehr Personal an der Uniklinik Düsseldorf. Dafür habt ihr unsere entschiedene Solidarität.

Ihr setzt mit euren Forderungen nach mehr Personal erneut ein Zeichen gegen die systematische bundesweite Kaputtsparpolitik der öffentlichen Hand.

Systematisch wird und wurde von der Bundesregierung und den Landesregierungen ein Wettbewerb um die Senkung der Personalkosten organisiert. Das hat zu der dramatischen Personalnot und dem Pflegenotstand geführt, wie auch zur systematischen Tarifflucht und Ausgründungen. Darum unterstützen wir auch die volle Integration der Kolleg*innen aus den Service-Untergesellschaften mit ihren Forderungen nach Rückführung und TVöD in euren Kampf.

Eure Forderung nach 600 Stellen und als erster Sofortmaßnahme die Einstellung von 200 Fachkräften, sowie die Forderung der Kolleg*innen aus den Service-Gesellschaften sind nicht nur berechtigt, sondern Grundbedingung für ein öffentliches Krankenhaus zur Erfüllung seiner Aufgabe als Einrichtung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Ihr setzt damit nicht nur ein Zeichen für Euer Krankenhaus, sondern ihr entsprecht damit dem Willen aller Kolleg*innen in den Krankenhäusern, wie auch großer Teile der Bevölkerung.

Wir sind Kolleg*innen in Berlin, die sich fachbereichsübergreifend in einem Gewerkschaftlichen Aktionsausschuss zusammengeschlossen haben. Gemeinsam führen wir Kämpfe für die Eroberung und Rückeroberung des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes in ausgegliederten Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Bei uns arbeiten Kolleg*innen aus den Krankenhäusern, der Bodenverkehre der Flughäfen, des Technikmuseums, des Botanischen Gartens, der Musikschulen…, um gemeinsam die staatlich organisierte prekäre Arbeit zu bekämpfen. In verschiedenen Bereichen haben wir erfolgreich Tarifverträge wiedererobert bzw. Maßnahmen zur Überwindung prekärer Arbeit erreicht.

Dazu haben wir Betriebsgruppen gegründet, Tarifkommissionen gebildet, den Kampf mit den Belegschaften geführt und uns zusammengeschlossen. Unsere Erfahrung dabei ist, dass die Geschäftsführungen nicht die Tarifverhandlungsgegner sind. Sondern wir müssen uns an jene wenden, die für die politische Entscheidung für den Personalkosten-Dumpingwettbewerb als eigentliche Arbeitgeber verantwortlich sind. Deshalb haben wir in jedem Fall den Kampf auch gegenüber dem Senat (der Berliner Landesregierung) als Tarifverhandlungs-Adressat aufgenommen.

Und wir haben eine weitere Erfahrung gemacht: wir brauchen den Einsatz unserer gesamten Gewerkschaft in diesem Kampf. So haben wir z.B. unsere Tarifkämpfe, soweit es ging, zusammengeführt und koordiniert. Praktisch sind wir gemeinsam in den Kampf gegangen.

Da das fehlende Personal, wie auch die Entscheidung zu Ausgründungen, ihre gleiche Ursache in der Politik der Kostensenkung und des Personaldumping-Wettbewerbs haben, sind wir davon überzeugt, dass wir eine politische Entscheidung für zusätzliches Personal brauchen, was zusätzliche Finanzmittel verlangt.

Vor diesem Hintergrund wollen wir die Frage aufwerfen, ob wir nicht einen flächendeckenden Erzwingungsstreik für mehr Personal brauchen? Die Basis dafür ist nicht nur in den Belegschaften da, sondern auch in der Bevölkerung. Über 50.000 Berliner*innen haben ein entsprechendes Volksbegehren für mehr Personal unterstützt.

Wir brauchen die politische Entscheidung für mehr Personal, definiert durch die vor Ort arbeitenden Kolleg*innen. Für diese zusätzlichen Stellen brauchen wir die zusätzliche Finanzierung durch die Bundesregierung, damit sie nicht auf Kosten der notwendigen Investitionen, sowie durch Ausweitung der prekären Arbeit erfolgt.

In Berlin fordern wir dies von dem Berliner Senat. Er hat die Möglichkeit und Pflicht, dieses Geld von der Bundesregierung als dem zentralen Gesetzesgeber und Verantwortlichen für die Kostensenkungspolitik einzufordern.

In Berlin ist die Charité mit ihrem Tarifvertrag für mehr Personal im Jahr 2015 vorangegangen. Wir halten die Entscheidung des ver.di Bundesvorstandes für falsch, unser zweites großes öffentliches Krankenhaus, Vivantes, damals nicht sofort in den gleichen Kampf zu rufen.

Wir wollen jetzt in ver.di eintreten für die Zusammenführung der Delegierten von Charité und Vivantes zur gemeinsamen Vorbereitung eines Erzwingungsstreiks für mehr Personal.
Frank Bsirske hat euch bei seinem Besuch des Streiks die Unterstützung der gesamten Organisation zugesagt: „Die Streikenden haben die Solidarität der gesamten Gewerkschaft (…). Ich bin absolut überzeugt, dass wir diese Auseinandersetzung gewinnen.“ Die Bedeutung des Tarifkonflikts an der Düsseldorfer Uniklinik gehe weit über den Betrieb und die Region hinaus.
Einheitliche Tarifverhandlungen für mehr Personal zumindest für die größten Krankenhäuser in Berlin im Rahmen einer Tarifverhandlung mit dem Berliner Senat sind natürlich etwas anderes, als eine solche Einheit z. B. aller oder der größten und kampfbereitesten Uni-Kliniken in einem Flächenland wie NRW zu erkämpfen.

Es ist allein eurer Entscheidung und eurer Kenntnis und Erfahrung überlassen, welche Schritte der Vorbereitung dafür in ver.di ergriffen werden müssen.

Es ist z.B. eine Frage, ob es nicht sinnvoll ist, in Nordrhein Westfalen die Delegierten aller Krankenhäuser zusammenzurufen, um eine Diskussion über die Vorbereitung von Tarifverhandlungen mit der Landesregierung für mehr Personal zu führen, die sich stützen kann auf den Kampf, den ihr und die Essener Kolleg*innen schon jetzt führten.

Ein Erzwingungsstreik der Uni-Kliniken in NRW für mehr Personal könnte ein entscheidender Stützpunkt sein, um endlich eine bundesweite gesetzliche Personalbemessung zu erzwingen, die vom tatsächlichen Bedarf ausgeht. Wir erinnern an die bundesweit 162.000 fehlenden Stellen, die es zusätzlich von der Bundesregierung zu finanzieren gilt.

In eurem Streik sehen wir ebenfalls einen Stützpunkt, um auch flächendeckend dem TVöD bzw. TV-L bundesweit Respekt zu verschaffen. So hat Frank Bsirske auf eurer Streikversammlung zu Recht betont: Der Abschluss von Tarifverträgen für die Tochterunternehmen im Servicebereich sei „überfällig“: „Auch in den Servicegesellschaften muss der Tarifvertrag der Länder gelten.“

Über diese Fragen würden wir gerne mit euch in einen Erfahrungsaustausch kommen – mit dem Ziel, diese Fragen, unsere Vorschläge und Überlegungen in ver.di insgesamt zur Diskussion zu bringen.

Mit solidarischen Grüßen
Gewerkschaftlicher Aktionsausschuss Keine prekäre Arbeit und tariffreien Bereiche im Verantwortungsbereich des Landes Berlin